Ich, Thomas Müntzer, Knecht des lebendigen Gottes

Was wissen wir von Thomas Müntzer? Nach der Anzahl der Bücher und Aufsätze, die über ihn erschienen sind, sollte man meinen, es sei mehr als genug. Doch bei intensiver Beschäftigung mit seiner Person ist sehr schnell festzustellen, daß es recht wenig ist. Nur die Zeit von seinem Aufenthalt in Allstedt, ab Ostern 1523, bis zu seiner Hinrichtung am 27. Mai 1525 bietet verläßliche Daten und Fakten aus seinem Leben. Aber auch hier, von Oktober 1524 bis gegen Ende Februar 1525 finden wir wenig Verläßliches. So wie auch wenig Zuverlässiges über sein Leben vor der Reformation zu finden ist.

"Thomas Müntzers familiäre und soziale Herkunft ist ungeklärt. In der Müntzerliteratur finden sich dazu mehrere divergierende Annahmen, denen bislang die nötige quellenmäßige und methodische Absicherung fehlt."

Fest steht nur eins, daß Thomas Müntzer in Stolberg im Harz geboren ist. Vermutlich wuchs er in Quedlinburg auf.

"Ich, Thomas Müntzer, gebürtig in Stolberg...." so stellt er sich selbst in seinem Prager Manifest dar.

Oder aber in seiner Protestation von 1524: "Ich, Thomas Müntzer von Stolberg aus dem Harze, ein Knecht des lebendigen Gottessohns durch den unwandelbaren Willen und unverrückbare Barmherzigkeit Gottes........."

Seine Herkunft belegen auch die Matrikeleintragungen von Leipzig und Frankfurt a.d.O. von 1506 und 1512, die 1887 und 1895 veröffentlicht wurden.

Denn hier ist die Rede von "Thomas Munczer de Quedilburck" und von "Thomas Müntcer Stolbergensis", letzteres der Eintrag in der Frankfurter Universität.

Auch in der Präsentationsurkunde Thomas Müntzers durch den Rat der Altstadt in Braunschweig auf ein durch den Tod freigewordenes Lehen am Marienaltar der Michaeliskirche zu Braunschweig vom 6. Mai 1514 belegt die geographische Herkunft. Das Original befindet sich im Dresdener Staatsarchiv.

Mit den beiden genannten Orten Stolberg und Quedlinburg werden von Thomas Müntzer deutliche Wegsteine seiner Jugendzeit demonstriert. Thomas Müntzer ist demzufolge ein Kind des Harzes, geboren in Stolberg und augenscheinlich einige Jahre seiner Jugend in Quedlinburg ansässig.

"Im Harz, in dessen Vorlanden und Umgebung, hat er einen großen Teil seines Lebens verbracht: Stolberg und Quedlinburg, Halberstadt, Aschersleben und Frose, Allstedt, Mühlhausen, Braunschweig und Halle sind vor allem zu nennen."

Das Geburtsjahr Thomas Müntzers ist nicht exakt feststellbar. Wurde lange Zeit das jahr 1490 als sein Geburtsjahr angesehen, so geht die heutige Forschung davon aus, daß Thomas Müntzer im Jahre 1489 geboren wurde.

Darum hat man sich auch in der DDR dafür entschieden, den 500. Geburtstag Müntzers 1989 offiziell zu feiern.

Auch hat sich die neuere Forschung einmütig auf die von Thomas Müntzer selbst überwiegend benutzte Schreibweise mit "tz" entschieden. Daß das Geburtsjahr nicht exakt feststellbar ist, ist allgemein keine große Seltenheit. Taufbücher wurden in dieser Zeit selten geführt. Die genauen Geburtsdaten fehlen z.B. auch bei so bekannten Männern wie Erasmus von Rotterdam und Thomas Morus.

Seine frühe Jugend hat Thomas Müntzer in Stolberg im Harz verbracht. Der Stolberger Diakon Johann Arnold Zeitfuchs (1671 – 1742) berichtet in seiner "Stolbergischen Kirchen- und Stadthistorie", daß Müntzer "soll gebohren seyn in Dr. Henning Oppermanns Hause."

Seine familiäre Herkunft ist nach wie vor ungeklärt. In der bisherigen Müntzerliteratur sind dazu äußerst widersprüchliche Aussagen zu finden. Eine exakte quellenmäßige und methodische Absicherung steht dazu auch aus. "Aber niemand vermochte bisher nachzuweisen, wer als Vater Thomas Müntzers in Frage kommt, welchen Beruf er ausübte, und wann der Sohn geboren wurde.

Ernst Bloch schildert in seinem Buch "Thomas Müntzer als Theologe der Revolution" Müntzer als Sohn kleiner Leute, der in desolaten sozialen Verhältnissen aufgewachsen sei. So schreibt er: "Fast verlassen wuchs der junge düstere Mensch auf. Müntzer wurde als einziger Sohn kleiner Leute um 1490 in Stolberg geboren. Seinen Vater hat er frühe verloren, seine Mutter wurde übel behandelt, man suchte sie, als angeblich mittellos, aus der Stadt zu weisen. Der Vater soll, ein Opfer gräflicher Willkür, am Galgen geendet haben."

Ein Hinweis auf historische Quellen fehlt bei Bloch gänzlich.

Der Quedlinburger Kirchenarchivar Hermann Goebke, der Müntzers Abstammung und die Wurzeln seiner religiösen, politischen und sozialen Ziele zu erforschen versuchte, datiert Müntzers Geburtsjahr um das Jahr 1467. Müntzer sei sehr früh in den Orden der Augustinereremiten eingetreten und bis 1506 im Kloster dieses Ordens in Quedlinburg verblieben. Hier nun knüpft Goebke an die erste gesicherte Quelle an, denn nun habe er, Thomas Müntzer, ein Studium in Leipzig begonnen. (Wohlgemerkt, im Alter von 39 Jahren! – Anmerk. des Verf.)

Gegenüber Bloch wird die Familie sozial aufgewertet, doch erscheint das ganze wohl eher ein Phantasiegemälde zu sein, ebenso wie die von ihm vermutete ungarische Abstammung und der Auswirkung dieser Abstammung auf seinen Charakter.

Dieser sozialen Aufwertung kann sich auch Marianne Schaub nicht verschließen, sie meint zu wissen, daß Müntzers Vater von Beruf Seiler gewesen sei, und daß er es zu einer mittelmäßigen Wohlhabenheit gebracht habe.

Auch Goebke will festgestellt haben, daß der Vater der Seilermeister Karl Müntzer gewesen sei.

Dieser Seilermeister sei zunächst in Stolberg ansässig gewesen und dann nach Aschersleben verzogen sein.

Diese Vaterschaft, wie auch der von Goebke vermutete Onkel, Matthias Montzer, der von anderen Verfassern als Vater Müntzers, zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit, gesehen wird, hält einer genauen wissenschaftlichen Prüfung nicht stand. So werden dann auch vage Formulierungen benutzt, wie "möglicherweise war er Seilermeister, vielleicht auch Münzmeister."

Sicherlich wird einer der Vorfahren einmal Münzmeister gewesen sein, denn der Beruf wurde oftmals in dieser Zeit zur Namensfindung herangezogen.

Der von Goebke beschriebene Matthias Montzer hat zwar tatsächlich um 1497/98 in Stolberg als "Meister Mattis dem muntzmeister" gelebt, doch gibt es bisher keinerlei Beweis, daß einer von beiden der Vater noch der Onkel sei. Zumal in dieser Zeit weitere Träger dieses Familiennamens in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts dort zu finden sind. Vermutlich dürfte es wohl schwer möglich sein, hier noch durch vielleicht noch unbekannte Quellen fündig zu werden.

Vermutlich wird Thomas Müntzer, auch wenn die Dauer, die die Familie in Stolberg zubrachte, uns unbekannt bleibt, eine ‚Trivialschule‘ besucht haben, die es sicherlich in dem kleinen Residenzstädtchen mit Bergbau gegeben haben wird. Denn irgendwo wird er ja das Schreiben und Lesen gelernt haben müssen. Vielleicht hat er dort sogar die Anfänge der lateinischen Sprache gelernt.

Aber nicht nur die Stolberger Jugendjahre bleiben für uns verborgen, auch bei den Quedlinburger Jahren tappen wir völlig im Dunkeln.

So lassen sich auch keine Gründe finden, warum die Familie nach Quedlinburg verzog.

Vielleicht hing es mit der Lage Quedlinburgs an der großen Handelsstraße Goslar-Halle zusammen, denn dadurch war Quedlinburg ein bedeutendes mittelalterliches Zwischenhandelszentrum geworden.

Vermutlich besuchte Thomas Müntzer die dortige Lateinschule, um sich im Jahre 1506 in Leipzig als "de Quedilburck" immatrikulieren zu lassen.

Warum er studieren wollte und warum er nach Leipzig ging, wissen wir bis heute nicht.

Die in Quedlinburg genossene schulische Ausbildung hätte für die Tätigkeit eines Geistlichen oder für die Tätigkeit eines Lehrers genügt, denn dafür war ein Universitätsstudium nicht erforderlich.

Auch um in einer Druckerei arbeiten zu können, hätte schulische Ausbildung genügt.